Abteilung ProSE: "Tervetulleita Suomi" - Lehrerfortbildung in Finnland

Vom 31. Oktober bis zum 04. November 2016 fand an unserer Partnerschule Ammattiopisto LUOVI in Oulu, Finnland eine weiterqualifizierende Maßnahme für Lehrerinnen und Lehrer zum Thema Inklusion statt.
Abteilung ProSE: "Tervetulleita Suomi" - Lehrerfortbildung in Finnland

Ammattiopisto LUOVI: binnendifferenzierte Stundentafel in der Ausbildungsvorbereitung

von Daniela Schröder, Andreas Brett, Christian Graack und David Martfeld

 

Vom 31. Oktober bis zum 04. November 2016 fand an unserer Partnerschule Ammattiopisto LUOVI in Oulu, Finnland eine weiterqualifizierende Maßnahme für Lehrerinnen und Lehrer zum Thema Inklusion statt.

Die zwei projekterfahrenen Kollegen Graack und Brett wurden hierbei von der jungen Kollegin Daniela Schröder und dem jungen Kollegen David Martfeld begleitet. Das Thema Inklusion wird in seiner Auswirkung auf unsere Schule vor allem in den Bildungsgängen der Ausbildungsvorbereitung (AV), der Internationalen Förderklassen (IF) und der Handelsschule (HS) zu spüren sein. Die beiden benannten Kollegen spielen entscheidende Rollen für die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen im Zusammenhang damit. Daniela Schröder, die am Mercator Berufskolleg eine MPT-Stelle (für multiprofessionelle Teams) besetzt, hat die Aufgabe, in Zusammenarbeit mit der Kollegin Andrea Klein und dem Abteilungsleiter Paul Süßer ein Konzept zur erfolgreichen Inklusion von förderbedürftigen Schülern zu entwickeln. David Martfeld ist in seiner unterrichtlichen Tätigkeit schwerpunktmäßig in den oben benannten Bildungsgängen eingesetzt.

Von Düsseldorf ging es am Montagmorgen über Helsinki in die nördlichste Großstadt Europas, Oulo. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wurde die Gruppe des MBK dort herzlich von der finnischen Kollegin, Marjut Mommo empfangen.

 

Am ersten Abend hatten die vier Kollegen zunächst die Möglichkeit sich zu aklimatisieren. Der Koordinator der Reise Christian Graack lieferte eine thematisch-inhaltliche Einstimmmung auf der Grundlage des Programms beim Abendessen in typisch finnischem Ambiente. Am Dienstagmorgen ging es dann schließlich los. Nachdem die Kollegen des MBK sich mit Marjut Mommo am Hauptkomplex der finnischen Schule trafen, gab es einen Bustransfer zu einer Zweigstelle der Ammattiopisto LUOVI in Muhos (ca. 25 km von Oulu). Ein Schüler des Logistikzweigs der Schule, der seine Fahrerlaubnis trotz seines speziellen Förderbedarfs an eben dieser Institution erworben hat, chauffierte das Team mit einem schuleigenem Transporter zu den Stallungen für die Ausbildung von Pferdewirten. Nach einer Führung durch die Anlage, hatten die deutschen Kollegen Gelegenheit, Gespräche mit der Leiterin und Ausbilderin des Bereichs und ebenso mit den Schülerinnen und Schülern zu führen. Hierbei ging es vorangig um Perspektiven für Schülerinnen und Schülern auf dem ersten Arbeitsmarkt und Prinzipien der Unterstützung von Lernprozessen. Die Pferde in den Stallungen dienten vor Ort sowohl der Nutzung als Ausbildungsobjekte in Pflege und Versorgung als auch als Therapiepferde für förderbedürftige Schülerinnen und Schülern aus anderen Bereichen der Schule.

Im Anschluss wurde die Gruppe zum Lunch in eine von Schülern geführte Mensa an einem anderen Standort gebracht und von dort ging es nachmittags in die Ausbildungsstätten für den Logistikbereich. Die Kolleginnen und Kollegen besuchten dort relativ kleine Klassenräume für 10 bis 12 Schülerinnen und Schülern mit allerdings sehr hochwertiger ITAusstattung. In einer voll ausgestatteten Werkhalle für Pkw- und Lkw-Reperatur wurden von Schülern Reperaturaufträge von Privatkunden aus der Umgebung ausgeführt. Die Ausstattung der Halle ließ im Hinblick auf Hebebühnen, Maschinen, Werkzeugen, etc. keine Wünsche übrig und entsprach damit dem Standard moderner Unternehmen. Zu der Ausbildungsstätte für Logistik gehört ebenso ein Verkehrsübungsplatz für LKW und Hänger sowie eine Lagerhalle, die zur Versorgung der verschiedenen Standorte der LUOVI Schulen mit Verbrauchsgütern von Schülerinnen und Schülern geführt wird. Auch hier konnten in Gesprächen mit den Ausbildungsleitern etliche Rückfragen geklärt werden.

Prägend für die Arbeit mit Schülerinnen und Schüler, die ihrerseits besonderen Förderbedarf aufweisen, ist eine schulische (Aus-) Bildung, die nicht ausschließlich theoretische Inhalte zum Gegenstand von Lehr- und Lernprozessen macht, sondern die bewusst auf einen ganzheitlichen Ansatz setzt, der durch seine vielen praxisbezogenen Unterrichtseinheiten in schulischen Kleinunternehmen, Schülerinnen und Schülern unmittelbare Erfolgserlebnisse ermöglicht. Dadurch wird die motivationale Haltung der Lernenden nachhaltig gestärkt.

 

Am Mittwoch, dem dritten Tag vor Ort, besuchte die deutsche Delegation die Ausbildungswerkstatt für Holzverarbeitung. Die eindrucksvolle Präsentation dieses Bereichs durch Jukka Kilpponen, der den deutschen Kollegen aufgrund seiner Beiträge im INCorporated Projekt zu den Themenfeldern Motivation und individuelle Förderung bereits bekannt war, stellte die Aspekte der Qualitäts- und Produktorientierung sowie den Verkauf und die Ausstellung der von Schülern produzierten Holzgegenstände ins Zentrum. Interviews mit Schülerinnen und Schülern und Mitarbeitern machten deutlich, dass der Bezug zur Außenwelt und die Wahrnehmung der Ausbildungsstätte als echter Betrieb, wesentliche Merkmale für die erfolgreiche pädagogische Arbeit sind.

Im Hinblick auf die Zielsetzung der einzelnen Bildungsgänge, der dortigen Lehrpläne, der Standardisierung von allgemeiner Leistungsmessung im Besonderen von Abschlussprüfungen lässt sich sagen, dass auch in Finnland Zielheterogenität Primat inklusiven Unterrichtens und Lernens ist. Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf müssen, wenn sie auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen, die gleichen Kompetenzen entwickelt haben wie alle anderen auch. Der Weg dorthin ist jedoch sehr intensiv geprägt durch viele reformpädagogische Ansätze wie beispielsweise Werkstattarbeit/ganzheitliches Lernen, Lernwerkstatt, freie Lernzeit, etc., die es den Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarf ermöglicht ihren Lernprozess nach individuellen Bedürfnissen an Zeit und Inhalten mit zu prägen.

Hierbei stellen Feedbacksysteme – kurz: die Rückmeldung von Lehrer zu Schüler hinsichtlich der Leistung und der Ergebnisse alltäglicher Lernprozesse, den Schlüssel zum erfolgreichen Arbeiten mit Schülerinnen und Schülern in der sonderpädagogischen Förderung dar.

 

Zurück im Hauptgebäude besuchten die deutschen Kollegen die Pikku Puttiiki (kleine Boutique). Es handelt sich hierbei um einen kleinen Laden innerhalb der Schule, in dem verschiedene Produkte der Schülerinnen und Schülern aus den unterschiedlichen Werkstätten von Lernenden des Einzelhandelsbereichs verkauft werden.

Es folgte eine Schülerpräsentation der Datanurrka (Computerwerkstatt) die ebenfalls von Schülern des IT-Ausbildungsbereichs und deren Betreuern geführt wird. Privatkunden aus der näheren Umgebung haben hier die Möglichkeit, PCs, Drucker, Tastaturen, etc. von Schülern der Ammattiopisto LUOVI zu geringen Preisen reparieren zu lassen.

Das Mittagessen am Mittwoch fand an einem besonderen Ort statt. Zum Lunch ging es in ein Altenheim, wo die Kolleginnen und Kollegen des MBK zusammen mit den finnischen Partnern und den Bewohnern aßen. Das Essen, das von Schülerinnen und Schülerinnen und Schülern in einer von ihnen selbst geleiteten Küche zubereitetet wurde, schmeckte hervorragend und unterschied sich deutlich von häufig bemängelten Kantinengerichten. Der Nachmittag des dritten Tages wurde genutzt, um einen Eindruck von der weiter nördlich liegenden lappischen Landschaft zu bekommen - Rentierbegegnung inbegriffen.

 

Eine weitere Dependence der Ammattiopisto LUOVI wurde am Donnerstag besucht. Etwa 40 km entfernt trafen die vier Kollegen auf Pirrko Tanner-Nygard, die selbst schon das Mercator Berufskolleg besucht hat, in der Abteilung zur Verselbstständigung von stark förderbedürftigen Schülern. Dort findet auch die Ausbildung für Floristik und Metallhandwerk statt. Hier beeindruckte im Besonderen die unglaublich große Menge an Selbstlernmaterial, das den Schülern zur Verselbstständigung zur Verfügung gestellt wird. Pirrko hat quasi ein ganzes "Cafe", eine "Apotheke", einen "Drogeriemarkt" mit Karten, Postern, Verpackungen, etc. aufgebaut.

Die multisensorische Vermittlung von Wissen und Kompetenzen, die sich eben sehr bewusst nicht allein auf die textuelle Darbietung von Inhalten stützt und die damit einhergehende sehr starke Binnendifferenzierung innerhalb des Unterrichtsgeschehens, sind prägend am Ammattiopisto LUOVI.

 

Zum Lunch ging es mittags zurück in die Hauptstelle der Schule. Das Mittagessen wurde hier mit Schülern der Schule und einem anderen internationalen Partner aus Kanada in dr Mensaküche zubereitet. Die kanadischen Partner - beides Sterneköche - kamen zum Tisch der deutschen Delegation und erläuterten das Tagesmenü und die Kooperation mit den Schülern hierbei. Nach dem Essen wurde den vier Kollegen des MBK etwa 30 km entfernt ein außerschulische Verkaufsstelle für Produkte der Schule gezeigt, die sich mitten in einem großen Einkaufszentrum befindet und gut frequentiert wird.

Den absolut beeindruckenden Abschulss des Donnerstags bildete dann !? ein Naturschutzgebiet mit offenen Feuerstellen an einem Fluss, in dem dann bei -2° in der Dämmerung ein Abschluss- BBQ mit Marjut Mommon stattfand.

 

Insgesamt bleiben folgende Eindrücke und Erkenntnisse für unsere Weiterarbeit:

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die sonderpädagogische Förderung im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule das Ziel hat, die Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an Unterstützung zu den Abschlüssen zu führen, die das finnische Gesetz vorsieht (zielgleich). Damit unterscheidet sich zumindest der rechtliche Rahmen in keinster Weise vom Schulgesetz NRW (s. SchulG §19, 20).

Organisatorisch und methodisch zeichnet sich die Arbeit an der Ammattiopisto LUOVI jedoch durch ein Höchstmaß an Binnendifferenzierung, Individualität, Verknüpfung von Theorie und Praxis und zeitlicher Flexibilität aus, die sicherlich nicht allein im Rahmen sonderpädagogischer Förderung erstrebenswert erscheint. Hier haben die beteiligten Kolleginnen und Kollegen wertvolle Impulse gewinnen können, die die Entwicklung der bereits genannten Bildungsgänge zu stimulieren vermögen und zukünftig weiterverfolgt werden. Besonders aber die Bedeutung der Rückmeldung zu Lernfortschritten, die Bedeutung des regelmäßigen Kontakts zu Schülerinnen und Schülern in Form von Reflexions- und Beratungsgesprächen bestärkt uns in unserem gelebten Beratungskonzept an der Schule, das uns trotz des damit verbundenen Erfolgs ausbaufähig erscheint.

 

Für Rückfragen zu dieser Fortbildung und zur Projektarbeit im Allgemeinen stehen die Kollegin Daniela Schröder, die Kollegen Christian Graack, David Martfeld und Andreas Brett, gern zur Verfügung!

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