Zu Besuch im größten Warenhaus der Welt

Im Rahmen einer vom VLW organisierten Betriebsbesichtigung besuchen Schüler, Lehrkräfte und Pensionäre des Mercator Berufskollegs Moers das Logistikzentrum von Amazon in Rheinberg. Wir wollen wissen, woher unsere Pakete kommen und was Amazon zu den Vorwürfen der vergangenen Wochen in den Medien meint. Die Nachfrage ist so groß, dass Amazon uns freundlicherweise zwei Termine ermöglicht.
Zu Besuch im größten Warenhaus der Welt

Besuch bei Amazon in Rheinberg

15.00 Uhr, Schichtwechsel bei Amazon in Rheinberg

Aus der Ferne denke ich an eine Demo gegen die Arbeitsbedingungen bei Amazon. Doch es sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von der Schicht kommen. Die Warnwesten sind nicht von Verdi, sondern dienen der Arbeitssicherheit.

Wir haben Glück, dass unsere Betriebsbesichtigung genau jetzt stattfindet. Auf dem viel zu kleinen Parkplatz herrscht ein Kommen und Gehen und so finden wir leicht unsere Parklücke. Das Online-Geschäft blüht in Deutschland. Entsprechend viele Arbeitsplätze werden in Rheinberg geschaffen. In der Ferne entstehen bereits neue Parkmöglichkeiten.

Wir gehen durch die Sicherheitsschleuse, erhalten unsere Besucherausweise und warten auf die Mitarbeiter von Amazon, die unsere Führung gestalten werden. Zunächst geht es in einen Besprechungsraum, in dem wir auf die Führung vorbereitet werden.


Ein Anblick wie ein Bild von Andreas Gursky

Die Besichtigung entspricht dem Warenfluss bei Amazon. Sie beginnt beim Wareneingang, folgt der Kommissionierung und der anschließenden Verpackung und endet bei der Versendung. Besonders beeindruckend sind die unglaublichen Dimensionen. Auf einer Größe von 17 Fußballfeldern erstreckt sich ein überdimensionaler „Flohmarkt“. Die Chaotische Lagerhaltung ermöglicht es, dass auf einem Lagerplatz Pampers neben Lavalampen neben Legopackungen neben Akku-Schraubern liegen. Von einem erhöhten Platz aus besichtigen wir eine riesige Halle in der vereinzelt Kommissionäre scannend Waren auf Kisten und Karren packen. Gigantische Systeme von Förderbändern transportieren unzählige Kisten und Kartons. Es erinnert mich an das Bild "99 Cent" von Adreas Gursky aus dem Jahr 1999. Leider dürfen wir keine Fotos machen.

Bei diesem Anblick erhalte ich den Eindruck, dass es unserem Land bei diesem extrem hoch getakteten Konsum sehr gut gehen muss. Hier frage ich mich aber auch, wie viele Existenzen von Einzelhandelsgeschäften aller Art in dieser Halle begraben liegen.


Viel Geld für ungelernte Arbeiter oder zu wenig Geld für einen harten Job?

Amazon stand wiederholt wegen der Arbeitsbedingungen in deutschen Versandzentren in der Kritik. Mehrere Fernsehsendungen haben die umstrittene Behandlung von Mitarbeitern, insbesondere von Zeitarbeitnehmern aufgedeckt und publiziert. Auch die Tarifbindung ist umstritten. Amazon orientiert sich am Tarifvertrag der Logistikbranche. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordert auf ihrer Webseite höhere Löhne und tarifliche Regelungen, wie sie im Einzel- und Versandhandel, so zum Beispiel bei Otto und Neckermann, üblich sind. Der Tarif für den Großteil der Lagerarbeiter im Versandhandel liegt laut Verdi zwischen 11,47€ und 11,94€.

Wir sprechen Amazon darauf an und erfahren, dass ungelernte Mitarbeiter zum Einstieg 10,16 € erhalten. Der Anteil der Zeitarbeit solle möglichst minimiert werden, aber bei einem Geschäft, was so sehr saisonalen Schwankungen unterliege, könne man auf Zeitarbeit nicht vollständig verzichten. Auch sollen mehr und mehr Mitarbeiter einen unbefristeten Arbeitsvertrag statt einer Befristung erhalten. Man wolle sich aber zunächst die Entwicklung in Deutschland und speziell in Rheinberg ansehen. Weitere von Verdi erhobene Vorwürfe gegen Amazon können wir im Rahmen unserer Betriebsbesichtigung nicht bestätigen. Uns ist aber auch bewusst, dass sich Mitarbeiter bei unserer Führung sicherlich zum Wohle ihres Arbeitsplatzes äußern und verhalten. Uns erscheinen die Arbeitsbedingungen hart aber nicht unfair. Sollte das nicht der Fall sein, hoffen wir, dass die Medien und Verdi das Beste für die Mitarbeiter erreichen. Amazons Erfolg für die Zukunft würde das sicherlich kein Abbruch tun.




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